20 Jahre Patchwork- und Quiltjournal sollen auch weiterhin gefeiert werden. Und so werden wir hier immer wieder Artikel aus den letzten 20 Jahren veröffentlichen.
Besonders beliebt sind und waren immer die Beiträge von Gunther Maier, die mit großer dichterischer Freiheit das Zusammenleben mit einer Quilterin beschreiben. Darum gibt es heute einen Beitrag aus dem Patchwork- und Quiltjournal Nr. 06 (Januar 1993)
Neujahrsvorsätze
Nun ist es also wieder einmal so weit: ein neues Jahr ist ins Land gezogen. Und mit ihm jede Menge neue Vorsätze.
Haben Sie sich das auch angetan, sich mit guten Vorsätzen belastet? Ja? Auch so etwas von der Art „gequiltet wird erst, wenn die Hausarbeit erledigt ist“, oder „Keine Stofffleckchen mehr im Wohnzimmer herumliegen lassen“? Und, wie hoch ist die Ausfallsrate derzeit? Immerhin haben wir schon Mitte Januar.
Also bei uns war das diesmal eine echte Katastrophe. Wir sind nicht einmal so weit gekommen, gute Vorsätze zu treffen. Der Versuch hat vorher schon in einem ausgewachsenen Familienkrach geendet, obwohl alles eigentlich nur gut gemeint war.
Wahrscheinlich war meine liebe Frau einfach etwas überlastet. Für sie war es ja auch wirklich dicht, so knapp vor Weihnachten. Neben den üblichen Aufgaben – Haushalt, Kind und Patchwork- und Quiltjournal – musste sie noch Weihnachtsgeschenke besorgen, eine Weihnachtsfeier der Musikschule besuchen und die der Quiltgruppe organisieren. Außerdem war da noch eine Schulfeier, bei der unsere Kleine dazu verdonnert war „Ihr Kinderlein kommet“ zu flöten, wofür die gestresste Mutter als moralischer Beistand unbedingt notwendig war und noch einiges anderes mehr.
Bevor mir jetzt alle Frauen mit einem triumphierenden „Aha!“ den Zeigefinger entgegenrecken, sei es laut und deutlich verkündet: Ich habe Gabis Überlastung sehr wohl bemerkt und mir auch überlegt, wie ich ihr helfen könnte. Aber damit hat das ganze Problem erst begonnen. Während meine patriachalischen Vorgänger die Situation mit verständnislosem Achselzucken quittiert hätten und damit problemlos durchgekommen wären, musste ich als moderner Ehemann mich einmischen.
Wie hilft man einer überlasteten Ehefrau? Man nimmt ihr eine schwierige Aufgabe ab. Und welche Aufgabe steht am Jahresende an? Richtig, Vorsätze treffen für das neue Jahr!
Also nahm ich mir ein Blatt Papier und überlegte mir einige Vorsätze für Gabi für das neue Jahr. Sie glauben gar nicht, was einem mit ein bisschen Nachdenken alles einfällt: „Erst Hausarbeit, dann quilten“ und „Stoffe raus aus dem Wohnzimmer“ sind eigentlich Banalitäten, die ich nur zur Einstimmung auf das Thema – und zur Sicherheit – vermerkte. Aber hat man erst einmal die klassischen Quiltervorsätze literarisch abgearbeitet, so öffnet sich der Phantasie ein weites Land der Wünsche. Wie war das doch damals, als wir am Boden sitzend essen mussten, weil am Esstisch ein ganz besonders schwieriges Quiltdesign der Nähmaschine entgegenfieberte? Das ergibt einen schönen Neujahrsvorsatz. Ach ja, und gegen die Quiltnadeln in den Polstersesseln sollte auch endlich einmal etwas unternommen werden! Außerdem war da ja auch noch ...
Gabi schien anfangs nichts dagegen zu haben, dass ich ihr diesen Teil der Planung abnehmen wollte. Als ich ihr von meinem Vorhaben erzählte, murmelte sie, über einen wichtigen Brief gebeugt, nur irgend etwas reichlich Unverständliches. Als ich mir aber das dritte Blatt Papier holte, wurde sie nervös. Was ich da eigentlich mache, wollte sie wissen. Als ich mit meinem bisherigen Werk herausrückte – ein vorläufiger Entwurf mit reichlich Bedarf für Verfeinerungen -, war sie nicht mehr zu halten. Was ich damit bezwecke, wollte sie wissen, ob ich sie ihrer kreativen Umgebung berauben wolle. „Quilten hat nun einmal mit Stoffen und Fäden zu tun, ob dir das passt oder nicht“, musste ich mich belehren lassen. Außerdem seien viele der Dinge, die ich zur Verbesserung vorschlage, Persönlichkeitsmerkmale, mit denen ich mich abfinden werde müsse. Derart jeder Hoffnung beraubt, hielt ich mich nicht lange damit auf, meine Motive zu erklären, sondern konterte: „Das sind Vorsätze und die sind dazu da, eingehalten zu werden.“ Der Rest ist Familiengeschichte und geht sonst niemanden etwas an.
Natürlich haben wir uns in der Zwischenzeit wieder versöhnt. Aber unsere guten Vorsätze für das neue Jahr sind dabei leider auf der Strecke geblieben – bis auf einen: „Nicht für jemand anderen Vorsätze erstellen – auch keine gut gemeinten.“
Gunther Maier
Mittwoch, 18. Januar 2012
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